Graphische Frontends unter Linux
Ein kleiner, historischer Rundumschlag
1998 habe ich mich das erste Mal mit Linux ⧉ beschäftigt. Im Buchhandel gab es damals Pakete mit Handbüchern und einem Set von CDs zur Installation. Das klappte erstaunlich gut, abhängig von der Hardware und ob diese vom Linux-Kernel unterstützt wurde. Was man relativ schnell lernt ist die Tatsache, dass das, was man beim Start der Betriebssystem sieht, nicht das LINUX ist, sondern eine von vielen möglichen unterschiedlichen grafischen Oberflächen.
Damals war die Oberfläche, die überall automatisch angezeigt wurde, KDE ⧉ ("K Desktop Environment"). Das hatte auch einen plausiblen Grund. KDE war sehr stark an das bekannte Windows 95/98 angelehnt. Wollte man also möglichst viele Menschen für LINUX begeistern, dann war es naheliegend, diese mit einem Sysstem "abzuholen", welches nicht allzu neu war und damit auch nicht zu kompliziert. Das ist KDE damals - wie ich finde - auch ganz gut gelungen. Hinter grafischen Oberflächen verstecken sich spezifische Frameworks. Bei KDE ist es das "Qt" ⧉ Framwework von der Firma Trolltech. Da dieses Framework auf allen Plattformen existiert, müssen Anwendungen nur einmal geschrieben und in der Regel nicht angepasst werden. Ein Beispiel hierfür ist die Software "Papyrus Autor".
Nutzt man "Qt" nicht kommerziell, sondern entwickelt OpenSource Anwedungen, dann sind das unter Linux die typischen KDE Anwendungen.
LINUX gibt es aber nicht deswegen, weil irgendwelche Nerds die Windows-User von irgendetwas überzeugen wollen. Diesen Anspruch hatten wohl eher die Macher Distributionen, die im Buchhandel verkauft wurden - man bezahlte für die Handbücher, nicht für die Software selbst. Die grafische Oberfläche "Gnome" ⧉ mit dem GTK Framework könnte man sogar - wenn man sehr böse ist - in seinen Anfangstagen als Abfallprodukt von "GIMP" ⧉ verstehen. GTK ("Gnome Toolkit") war entstanden, weil man grafische Elemente für die mächtige Bildbearbeitungssoftware benötigte (also Buttons, Auswahl- und Texfelder, Dateidialoge usw.). Daraus ist dann der GNOME Desktop entstanden, der sehr einfach und sehr minimalistisch daher kam und in dem sich schnell in den 00er Jahren verbreitenden UBUNTU Linux zum Standard entwickelte. GNOME hat quasi die Lorbeeren eingheimst, die durch die erste Linux-Welle mit KDE angelegt worden war.
Mit UBUNTU ⧉ und Canonical ⧉ unter der Leitung von Mark Shuttleworth ⧉ fand dann auch eine stärkere Kommerzialisierung von OpenSource Software statt. Linux Server stehen jetzt nahezu überall und wer seine IT-Infrastruktur darauf auslegt braucht Support. Es hat sich schnell ein geniales Konzept herausgebildet. Linux Distributionen leben von der Community, brauchen aber Entwickler, die die Projekte vorantreiben. So halten sich die drei großen Anbieter
- Canonical
- RedHat
- Novell
jeweils eine freie, im halbjährlichen Rythmus aktualisierte Distribution, aus der sie dann die stabilen und agilen Elemente für eine kommerzielle Variante herausnehmen. Dabei wird nie das Rad neu erfunden, sondern vorhandene Strukturen werden verbessert und erweitert. Heute, im Jahr 2024 sieht man sehr deutlich, wie stabil das Ganze auf den Desktop-PCs läuft. Bei Servern sowieso. Die Linux Community bildet damit das Rückgrat für die kommerziellen Systeme.
Bei Canonical nennt sich die freie Version "UBUNTU", bei RedHat ist es "FEDORA" und bei Novell ist es "OPEN SUSE". Alle drei haben ihre Fangemeinde und ich habe alle drei schon mal ausprobiert. Entscheidend für den Enduser ist aber nicht der Anbieter, sondern eben die grafische Oberfläche.
Neben KDE und GNOME möchte ich dann aber noch den Desktop erwähnen, der von mir genutzt wird und der ebenfalls eine immer größere Fangemeinde hat: CINNAMON ⧉. CINNAMON ist die Standardoberfläche von LINUX MINT (welches wiederum auf UBUNTU basiert) und ist tatsächlich sehr einfach zu bedienen, gerade wenn man von Windows umsteigt. Ich habe diese drei Oberflächen auf meinem Hauptrechner, der auf FEDORA 41 basiert, installiert und dort alles für den Alltag eingerichtet. CINNAMON ist eindeutig mein Favorit.
Bevor ich mich hier einem Shitstorm ausgesetzt sehe: Ja, es gibt natürlich noch MATE, XFCE und weitere Tiling Window-Manager, die besonders bei älterer Hardware mehr als nur ihren Zweck erfüllen. Aber ich gehe diesen Test halt eher pragmatisch an. Hier also meine Eindrücke.
GNOME
Mit GNOME meine ich die Standard Installation (nicht die Classic Variante), die bei FEDORA als Desktop eingesetzt ist. Zunächst fällt auf, dass GNOME keine Taskleiste im gewohnten Format besitzt. Erst wenn die WindowsTaste gedrückt wird, erscheint ein "Dock". Um dieses Dock als permanente Leiste einzublenden, braucht es die GNOME Desktop Extensions, die sich über den Browser installieren lassen. Und dann gibt es für dieses Dock auch noch verschiedene Varianten, unter anderem ein Dock, dass OSX imitieren soll.
Es gibt darüber hinaus noch weitere Elemente, die nicht als Standard definiert sind. Beispiel: Ich möchte immer, dass sich neue Fenster zentriert öffnen, also in der Mitte des Bildschirms. Das lässt sich in den Systemeinstellungen nicht ändern. Das Gleiche gilt für Schriftarten des Desktops und deren Hinting (Verbesserung der Darstellung der Schriftarten auf Bildschirmen). Dafür muss mit gnome-tweak
eine weitere Anwendung installiert werden.
Außer diesen Zusätzen, die ja vielleicht nicht jeder braucht, wirkt der GNOME Desktop sehr durchdacht und stringent. Einmal alles korrekt eingerichtet, vermisst man nichts wesentliches. Alles läuft stabil und die wesentlichen Dinge sind alle selbsterklärend.
KDE (Plasma)
KDE ist das Zugpferd der innovativen Desktop-Gestaltung. KDE bzw. Plasma bietet unzählige Möglichkeiten der Gestaltung. Bei Youtube gibt es sehr viele Videos mit Anleitungen zu Anpassungen von KDE. Die PC Oberflächen können - je nachdem wie exotisch oder mit wie vielen Effekten man die Einstellungen variiert - sehr futuristisch und richtig cool aussehen. Wer es also liebt, viel am Ausehen des Desktops zu basteln und seine Umgebung beeindrucken will, der kann sich mit KDE austoben. Das ist auch gar nicht so kompliziert. In den umfangreichen Systemeinstellungen können alle Rubriken leicht angepasst werden - neue Elemente aus der User-Community können heruntergeladen werden und zeigen in der Regel auch eine Vorschau an.
KDE ist aber nicht nur etwas für Desktop-Bastler. Es gibt zahlreiche Projekte aus der KDE Community, die auch GNOME oder CINNAMON User zu schätzen wissen. Sei es die Bildbearbeitung KRITA, der Editor KATE oder KMAIL, der vielleicht vielseitigste E-Mail Client in Linux.
CINNAMON
CINNAMON wurde durch LINUX MINT populär. Diese Desktop-Umgebung ist mein persönlicher Favorit. Das liegt daran, dass ich vom ersten Start an so gut wie nichts einstellen musste, um den Desktop an meine persönlichen Gewohnheiten anzupassen. CINNAMON hat das, was einem User wie mir bei GNOME fehlt. Die Systemeinstellungen sind in Rubriken unterteilt und die einzelnen Funktionen verstecken sich hinter eindeutig benannten Symbolen (sehr ähnlich zu MacOS). Vor allem die Gestaltungsmöglichkeiten der Taskleiste (von denen Sie auch mehrere definieren können), sind sehr durchdacht.
CINNAMON ist ein guter Kompromiss - es ist einfach, selbsterklärend, verzichtet aber auf die vielen Anpassungsmöglichkeiten von KDE/Plasma.
Ein Wort zu Wayland und X11
Alle drei Desktops können mit dem bekannten X11 oder Wayland ⧉ betrieben werden. Immer mehr Distributionen wechseln von X11 zu Wayland. Was der genaue Unterschied für den einfachen Endanwender ist, kann ich nicht genau erklären. Ich weiß nur, dass viele Libraries und Elemente bei Wayland nicht mehr zum X-Server selbst gehören, sondern stattdessen in den Kernel gewandert sind. Allerdings scheint es noch einige Kompatibilitätsprobleme zu geben. Beispiel: das Screenshot Tool "Shutter" unter GNOME funktioniert nicht mit Wayland und es gibt noch keine aktualisierte Version. Das bedeutet, dass man sich nach Alternativen umschauen muss.
Auch mit Proton und Spielen unter Linux gibt es mit Wayland gefühlt mehr Probleme (allerdings wirklich nur bei sehr wenigen Spielen). Hier würde ich einfach empfehlen auszuprobieren, was am besten klappt. Bei Fedora ist es so, dass im Anmeldedialog auch immer eine X11 Version zum Anmelden zur Verfügung gestellt wird.