Definition von Nostalgie - Oder: „So ganz ohne Fireball“
Es ist schon 25 oder 30 Jahre her, vielleicht noch länger, dass ich mit einem Freund in einer Kneipe meiner Heimatstadt saß, welche sich – damals völlig abgefahren und neu – „Internetkneipe“ nannte. Wir bekamen eine Einführung. Es gab da dieses Programm, diesen „Browser“ namens „Netscape“ und ich glaube, das war schon Windows 95. Man konnte auch suchen und man sagte uns, dass man mit „Fireball“ wirklich alles :-) finden könne. Bei „Yahoo“ könne man auch suchen, aber da schaue man sich die Seiten alle einzeln an, bevor man sie in den Suchkatalog aufnehmen würde. „Fireball“ scheiterte, da es gegen den Trick, schmutzige Keywords mit weißer Schrift auf weißem Hintergrund, auf Seiten zu platzieren, um die Suchposition zu manipulieren, kein Gegenmittel fand. Das ist wie beim Doping. Keiner merkt es, wenn alle mitmachen. Aber Lügen sind auf Dauer so unseriös, so labil, so fragil in den Konstrukten, die sie liefern.
Da haben dann zwei Typen eine gänzlich andere Logik für das Ranking von Webseiten erfunden. Und auch gleich das universelle Verb dafür, entlehnt aus dem Namen ihrer Idee. Der Rest ist Geschichte. Ich, der ich längst Teil dieser Geschichte bin, sitze also jeden Tag in meinem Homeoffice und wegen der epochalen Veränderungen einer überstandenen Pandemie in einem alltäglichen Ablauf, den ich mir nie hätte erdenken können. Es verschwimmt alles ein wenig und Oberwasser behalte ich durch den einfachen Trick, das Notebook des Arbeitgebers einfach in einer Schublade am Feierabend verschwinden zu lassen. Auch wenn es einfach auf dem Schreibtisch stehen bleiben könnte.
Das ist dann in etwa so, als würde man nach „Fireball“ googlen und die Zeit selbst hat sich einen nostalgischen Touch zuerkannt. Das Ergebnis zeigt dann aber eher die Videos von Ausschnitten des James Bond Films statt die Geschichte einer Suchmaschine der ersten Stunde.
Der Freund, mit dem ich damals in dieser Kneipe gesessen habe, erzählte mir neulich, dass er gerade alle James Bond Filme in der chronologischen Reihenfolge schaue. Ich glaube daher, dass Chronologie und Nostalgie zur Symbiose dessen werden, was uns die Kurzweil gibt, den nicht erkennbaren Sinn auch einfach Sinn sein zu lassen. Und während ich tagsüber im Homeoffice bin, schwanke ich zwischen Radiosendern, in denen nur gesprochen wird und am Abend höre ich den Lounge-Sender. Gänzlich ohne Worte. Und ich schreibe mit Bleistift auf Papier. Und ich kaufe wieder mehr Bücher in Papierform. Die Nostalgie ist mehr als nur Zuflucht. Sie ist der rote Faden, den jeder von uns dringend aufzunehmen gewillt ist. In Zeiten wie diesen. So ganz ohne Fireball.