Zwei Bücher. Linker Terror. Rechter Terror.
Michael Buback — Der zweite Tod meines Vaters
Dieses Buch von Michael Buback, dem Sohn des von der RAF ermordeten Generalbundesanwaltes Siegfried Buback lässt sich sehr gut lesen. Die strukturierte Denkweise eines Naturwissenschaftlers macht es dem Verstand einfach, den roten Faden zu behalten.
Aber nicht nur das — die Verwobenheit eines Angehörigen eines Terroropfers und die logische Herangehensweise, hebeln das sich aufdrängende Vorurteil aus.
“Ja, das ist halt so ein Angehöriger, der die Vergangenheit nicht richtig bewältigt hat und der sich jetzt als akribischer Privatdetektiv selbst zu therapieren versucht” — so in etwa der Tenor der Stimmen, die die mediale Präsenz von Michael Buback zum Thema RAF sehr einfach bewerten wollten. Aber das ist grundlegend falsch.
Michael Buback hat sich erst so richtig eingemischt, als Mitte/Ende der 2000er Jahre die RAF Diskussion neu entflammte. Also beinahe 30 Jahre nach der eigentlichen Tat. Damals ging es um die Begnadigungen der lang einsitzenden RAF Häftlinge oder Verfilmungen der Geschehnisse im Deutschen Herbst 1977 (“Der Baader-Meinhof-Komplex”). Wozu das stetige Stellen sehr naheliegender Fragen jedoch führen kann, zeigte sich dann in der Neuaufnahme der Ermittlungen zum Mord an seinem Vater Siegfried Buback. Plötzlich saß eine Person auf der Anklagebank, die dort schon längst hätte sitzen müssen. Und, was viel schlimmer ist, sie saß dort nur deswegen nicht, weil sie irgendwie mit staatlichen Organen als Informantin “verbandelt” war. Wie tief diese Verstrickungen sind, wurde in dem Prozess gegen Verena Becker deutlich, einer RAF Terroristin, die sich nun mit Anschuldigungen konfrontiert sah, die ohne das Betreiben von Michael Buback vermutlich unter den Teppich gekehrt worden wären. Im gleichen Maße, wie sich hier ein Strudel von Halbwahrheiten und Vertuschungen auftut wird die eigentliche, viel abstraktere Frage, wie kann so etwas in einem Rechtsstaat passieren, zur entscheidenden Frage.
Ein spannendes Buch, an dessen Ende sich ein scheinbar besessener Angehöriger als glaubhafter Betreiber einer längst überfälligen Aufklärung fundamentaler Mißstände etabliert.
Ulrich Chaussy — Oktoberfest. Das Attentat.
Zu dem Themenkomplex des Buches von Buback passt auch dieses Buch, auch wenn man die Umstände der exakten Gegenseite des politischen Spektrums zuordnen muss. Über den Film zu diesem Buch habe ich bereits im Rahmen meiner Kultur-Magazin Artikel geschrieben. Es ist — ähnlich wie das Buch von Michael Buback — eine Dokumentation eines scheinbaren Versagens von Staatsorganen. Es geht um die Hintergründe des schwersten terroristischen Anschlags in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, dem Oktoberfestattentat 1980.
Das angebliche Ermittlungsergebnis, Gundolf Köhler habe das Attentat als Einzeltäter begangen, ist ein Witz. Der Film “Der Blinde Fleck” und das Buch von Ulrich Chaussy mit noch mehr Details offenbaren mindestens ein gutes Dutzend Tatsachen, die auch bei diesem Anschlag einen weitreichenden Hintergrund vermuten lassen. Es scheint, sowohl im linken, als auch rechten politischen Spektrum, Strukturen zu geben, die wie eine Macht hinter der Macht agieren können. Rechtsstaatliche Prinzipien scheinen dann ausgehebelt zu sein. Ein Umstand, der uns alle stets wach und aufmerksam agieren lassen muss. Nicht umsonst ist der Untertitel des Buches “Wie die Verdrängung des Rechtsterrors begann”. Hinter Köhler stand organisierter, rechter Terror, so die Schlußfolgerung.
Auch wenn ich jetzt sehr weit aushole — nimmt man die Vertuschungen zu RAF Morden (die Morde an Rohwedder, Beckurts, von Braunmühl oder Herrhausen sollten auch mal unter diesen Gesichtspunkten untersucht werden), die NSU Morde und die Verstrickungen des Verfassungsschutzes hinzu, dann will man gar nicht daran denken, was die Motivation und die Mächte dahinter zu leisten imstande sind. Man könnte dann denken, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind eine Farce.
Ein wichtiges Thema und übergeordnetes Motiv meiner aktuellen literarischen Bemühungen.
Lesen Sie dazu auch meine Rezension zu der Verfilmung "Der Blinde Fleck"