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Rezension

Schon vor Jahren hatte ich angekündigt, dass ich mit meinem zweiten Roman in den letzten Zügen liege. Das ist auch so, aber es fehlt nicht nur Feinschliff – es fehlt auch eine Abgrenzung zum Zeitgeist.

Korrekturen und das Finden von einem Abschluss ...

Mein Buch mit dem Titel „Opus Magnum“ ist eine chronologische Darstellung der Geschichte Nachkriegsdeutschlands aus der Sicht eines jungen Deutsch-Amerikaners, der kurz nach dem 2. Weltkrieg nach Deutschland kommt, Koordinator des westdeutschen Verfassungsschutzes wird und sich mit der Stasi ein Katz und Maus Spiel liefert. Aus dieser Perspektive kann ich die vielen Ungereimtheiten, insbesondere in Bezug auf den Terror der RAF beleuchten und aus der Sicht des Protagonisten schildern. Grundlage für meine Geschichte sind endlose Recherchen – hier aufgelistet unter der Rubrik „Work in Progress - Aktuelle Recherche“. Mittlerweile habe ich mich damit abgefunden, dass mich dieses Thema nicht mehr in Ruhe lassen wird. Dafür gibt es neben Sachbüchern und Filmen viel zu viele Quellen, die immer wieder neue Aspekte liefern. So ist es schwer, einen Abschluss zu finden.

Neben diesem Suchen nach einem finalen Schnitt ist vor allem auch ein Aspekt in den Vordergrund gerückt, der mich zunächst gar nicht so sehr interessiert hat, der aber aufgrund der Entwicklungen in 2020 jetzt enorm wichtig geworden ist. Mit „Abgrenzung vom Zeitgeist“ meine ich eine Abgrenzung des von mir geschriebenen zu allen nur erdenklichen Verschwörungstheorien. Denn der fiktive Protagonist meines Buches baut die Widersprüchlichkeiten vieler historischer Begebenheiten auf die für ihn einzig mögliche und auch sehr naheliegend logische Art und Weise zusammen. Die Gefahr, sich dabei so weit von der Spekulation zu entfernen, dass man der Fährte einer Verschwörungstheorie folgt – und gerade zu diesen Themen gibt es massenhaft Verschwörungstheorien, die auch noch sehr plausibel klingen – ist gegeben. Das ist etwas, das ich unbedingt vermeiden möchte, zumal einfache, logische Schlussfolgerungen auch zu einem literarisch besseren Ergebnis führen müssen.

Michael Buback - "Der General muss weg!"

Am Anfang meiner Recherchen stand die Lektüre des Buches „Der zweite Tod meines Vaters“ von Michael Buback, der als Naturwissenschaftler sachlich fundiert die Details zum Attentat auf seinen Vater und seine beiden Begleiter 1977 zusammengetragen hat. Das geschah nach einem Hinweis eines ehemaligen RAF Mitglieds und es hat dazu geführt, dass eine Terroristin – Verena Becker – vor Gericht gestellt und angeklagt wurde. Ich hatte über dieses Buch schon geschrieben und dann die Berichterstattung bei 3sat verfolgt. Dieser Lektüre folgte die Lektüre vieler weiterer Bücher zu dem Thema.

Jetzt gibt es ein zweites Buch von Buback mit dem Titel „Der General muss weg“ und er dokumentiert den mittlerweile abgeschlossenen Prozess gegen Becker. Viele der von Buback recherchierten Details waren Gegenstand dieses Prozesses. Das Buch ist für jemanden wie mich, der so viel zu diesen Themen gelesen hat, besonders interessant, denn viele der Namen – und Buback setzt voraus, dass die Leser Personen wie Herold, Kraushaar oder Boock kennen – kenne ich natürlich aus den bisherigen Recherchen.

Außerdem war die gesamte Führungsriege der 2. RAF Generation vorgeladen worden. Und sie hüllt sich in gewissenloses, peinliches Schweigen. Verkommene, asoziale Biografien. Punkt. Aber Michael Buback und seine Frau, die als Nebenkläger auftreten und als einzige den Prozess protokollieren (kein Scherz, es gibt keine Protokolle zu den Verhandlungen), bleiben so gut es geht sachlich.

Ich sage es mal klipp und klar – der Autor würde das nie so sagen, weil der objektive, letztgültige Beweis fehlt – wer annimmt, dass jemand anderes als Verena Becker das Attentat auf den Generalbundesanwalt Buback verübt hat, ist kein Freund der Logik. Selbst wenn man unterstellt, dass einige Zeugen durch die Recherchen von Buback beeinflusst sein könnten, selbst wenn man viele Zufälle und Ungereimtheiten einfach so hinnimmt – Dutzende Zeugen haben schon 1977 eine Frau auf dem Motorrad als Täterin identifiziert. Und diese Aussagen von damals haben nie Zugang in die Ermittlungen gefunden. In einem Motorradhelm, der den Tätern zugeordnet wird, finden sich Haare von Becker, sowie bei ihrer Verhaftung die Tatwaffe und Werkzeug des Tatmotorrads. Und führende Beamte von 1977 u.a. BKA Chef Horst Herold oder Winfried Ridder vom Verfassungsschutz (wobei dieser je nach Situation die Meinung und die Einschätzung von Tatsachen ändert – quasi das Pendant zu Peter Jürgen Boock) teilen diese Ansicht.

Die Gerichtsreporterin Gisela Friedrichsen hat den Prozess begleitet und liefert mit ihrer Berichterstattung ein anderes Bild. Sie zeichnet das Bild von Michael Buback als einen fast schon pedantischen Rentner, der sich als neue Lebensaufgabe die Darstellung eines Hobby-Juristen auferlegt hat und das Trauma des Verlustes seines Vaters nun aufarbeitet – zahlreiche ihrer Berichte können Sie in dieser Artikel Sammlung zu Verena Becker beim SPIEGEL nachlesen.

Nun, ich bin nur ein einfacher Leser dieses Buches von Michael Buback und kann mir eine eigene Meinung bilden. Auch bei diesem zweiten großen Rundumschlag zum April 1977 setzt sich bei mir der genau gegenteilige Eindruck fest. Wieder zeigt sich Buback extrem sachlich, detailfokussiert und - ja- vielleicht auch pedantisch, wenn man seine Schilderungen vor dem geistigen Auge Revue passieren lässt. Aber nichts anderes ist angebracht. Die Akribie, mit der Buback Zusammenhänge herstellt, rückt nicht nur die offensichtlichen Fragen in den Vordergrund – sie macht vor allem deutlich, dass genau diese Akribie 1977 bei den Ermittlungen gefehlt hat. Der Umgang mit dem Attentat 1977 wirkt auf den Außenstehenden, den im höchsten Maße interessierten Nachgeborenen, wie eine Farce, wie eine Stümperei, es sei denn ... ja und da kommen wir wieder auf den schmalen Pfad zwischen Widerspruch und Verschwörungstheorie ... genau das war alles so gewollt. Wie sonst ist es möglich, dass entscheidende Akten verschwunden und wichtige Asservate vernichtet worden sind?

Das Fatale in der Reflexion der Arbeit des Wahrheitssuchenden ist der Leitsatz „cui bono“ – denn dies ist auch der Leitsatz des Motivsuchenden der Verschwörungstheoretiker. So bleibt ohne Fakten der Naturwissenschaftler Buback in einem Dunstkreis gefangen, der es ihm unmöglich macht, das, was man ihm entgegenhält, entkräften zu können. Solange Menschen ihr Gewissen nicht erleichtern oder nach wie vor geheime Akten des Verfassungsschutzes mit Gutheißen aktueller, weisungsbefugter Politiker geschwärzt bleiben, wird nicht ersichtlich werden, was den Wahrheitssuchenden vom Verschwörungstheoretiker unterscheidet – egal wie sehr Logik und Akribie auch die Wahrhaftigkeit untermauern mögen. Besonders unverständlich sind dann die Aussagen, dass die geschwärzten Akten keine wesentlichen neuen Informationen enthalten – warum bleiben diese Akten dann unter Verschluss?

So hat also auch diese Lektüre bei mir ihre Wirkung hinterlassen. Die Intention der Frage nach dem „cui bono“ mit Wahrhaftigkeit zu untermauern wird eine der entscheidenden Fragen sein, der sich unsere Gesellschaft stellen muss. Auch ganz unabhängig von diesem konkreten Fall. Folglich auch jeder literarische Versuch, der diese Frage letztendlich zum Leitmotiv erhebt. Ich hadere nicht mit dieser Aufgabe. Ich suche nur nach richtigen Weg. Und wie diese Lektüre zeigt, kann dieser Weg extrem frustrierend sein.

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