Die Zahl 9 - Signatur eines Schöpfers
Meine Mathelehrerin aus der Oberstufe würde sich vermutlich köstlichst amüsieren, wenn Sie wüsste, dass so ein "Mathematikgenie", wie ich es zu Schulzeiten war, einen Essay über die Mathematik schreibt und dabei den Philosophen heraushängen lässt :-)
Aber ich kann es mir nicht verkneifen - ich habe da etwas entdeckt, was mich sehr nachdenklich macht. Das Phänomen selbst habe ich nicht entdeckt. Aber für mich einen Eindruck, der sich aus diesen Phänomenen ergibt, den ich hier schildern möchte.
Eines der beiden Dinge, die ich gleich erkläre, ist sogar sehr bekannt. Das zweite Phänomen nicht ganz so sehr, aber es sind beides mathematische Phänomene, die man sich mal in aller Ruhe zu Gemüte führen muss.
Ich würde so weit gehen, dies als eine Signatur eines Schöpfers zu bezeichnen. Ein mathematisches Faszinosum, dessen Zweck sich nicht erschliesst, das in der Alltäglichkeit nicht zu finden ist und wo man sich fragt, welche tiefgreifende Macht sich das ausgedacht haben mag.
Bevor ich meine Eindrücke schildere, stelle ich einfach mal die beiden mathematischen Phänomene dar. Beide Phänomene beziehen sich auf die Zahl 9. Diese hat als einzige der Dezimalzahlen zwei ganz besondere Eigenschaften, die wirklich faszinierend sind:
1. Phänomen
Multipliziert man die 9 mit einer beliebigen ganzen Zahl, dann ist die Quersumme des Ergebnisse - bei großen Zahlen wird solange die Quersumme gebildet, bis es eine Zahl übrigbleibt - immer die 9. Dieses Phänomen wird in der Buchhaltung als "Neunerprobe" bezeichnet und hat dort einen alltäglichen Nutzen.
Dass diese Regel für alle ganzen Zahlen gilt, die man mit der 9 multipliziert, kann man mit dem Verfahren der "Vollständigen Induktion" ⧉ erklären und beweisen. Informatiker kennen dieses Verfahren, denn sie werden damit im Studium maltretiert. Dieses Verfahren ist bei vielen informationtechnischen Prozeduren relevant. Es ermöglicht - ganz grob gesagt - den Nachweis dafür, dass eine Gleichung, in der eine natürliche Zahlnvorkommt auch fürn+1gültig ist und damit für alle natürlichen Zahlen. Dieses Phänomen der Zahl 9 lässt sich zudem auch auf negative Zahlen anwenden, also damit auf den Bereich der "Ganzen Zahlen", da der Betrag der Quersumme immer 9 ist.
2. Phänomen
Ich finde dieses 1. Phänomen an sich schon sehr erstaunlich. Das nachfolgende Phänomen kann in seiner Allgemeingültigkeit nicht so leicht bewiesen werden (sollte ein Mathematiker dies hier lesen und mich belehren wollem - sehr gerne würde ich dazu mehr erfahren).
Subtrahiert man von einer beliebigen ganzen Zahl ihre Spiegelzahl, so ist das Ergebnis der Quersumme ebenfalls immer 9.
Hat man bei dem ersten Phänomen noch den Eindruck, dass die 9 als Teil der Ausgangsgleichung ja eh Teil der Lösung ist, so ist dieses Phänomen gänzlich unabhängig von der 9 als Ausgangszahl. Auch Ausgangszahlen, die keine 9 enthalten, führen zu dem Ergebnis 9. Und dann dieses Kuriosum der Spiegelzahl. Die Spiegelzahl hat keine tiefergehende mathematischen Wert. Nirgendwo werden Spiegelzahlen angewendet. Es ist irgendwie nicht zu greifen und das möchte ich genauer erklären.
Die Betrachtung dieser Phänomene
Der Dualismus zwischen Geisteswissenschaften und Naturwissenschaften ist ein allgegenwärtiger Konflikt. Dieser wird auch noch von unwissenschaftlichem, esoterischem Geschwafel verstärkt. In der allgemeinen Wahrnehmung wird Philosophie von Geschwafel nicht mehr unterschieden. Dabei ist Philosophie vor allem eines: Logik. Philosophie ist die Mathematik des Abstrakten. Die plakativste Ausformung dieser Herangehensweise findet sich in der Sprachphilosophie Wittgensteins ⧉. Die pragmatischsten Ansätze liefern die Philosophen, die von der Naturwissenschaft kommen - allen voran Kant ⧉ und Leibniz ⧉. Ich habe diese Unterscheidungen in vielen meiner Essays hier schon beschrieben.
Diese ursprünglichste Form der Philosophie als Logik des Abstrakten hat aber noch eine andere Qualität: Sie nimmt der reinen Mathematik ihren dogmatischen Ansatz. Ich kann mir gut vorstellen, dass der Mathematiker, der keine Anwandlungen hat, sich mit langen philosophischen Ausführungen auseinanderzusetzen, der kein Gespür und kein Interesse für sprachliche Ausformungen hat, in diesen Phänomenen das Besondere gar nicht erkennt. Der Philosoph hingegen verfügt nur sehr bedingt über das Handwerkszeug seine tiefergehenden Gedanken mathematisch auszudrücken. Dieser Widerspruch muss aber kein Widerspruch sein. Und gerade solche Phänomene bestätigen dies.
Es gibt viele faszinierende mathematische Darstellungen. Mathematik ermöglicht unsagbar viele Dinge. Von all diesen Dingen ist das Eine ganz besonders: die Mathematik macht so etwas wie Unendlichkeit greifbar. Das zeigt sich z.B. in der Kreiszahl pi ⧉ - diese irrationale Zahl mit unendlichen Nachkommastellen (sie wird sogar mit dem philosophischen Terminus "transzendent" belegt) ist nicht greifbar und doch ist sie allgegenwärtig. Sie ist Teil von wesentlichen, essenziellen Formeln. Kein Architekt könnte mit ohne Kreiszahl pi arbeiten. Etwas ähnliches gilt für den Satz des Pythagoras ⧉ (a^2 + b^2 = c^2) welches eine Existenz der uendlichen Zahlenfolge der Wurzel 2 impliziert.
Was ist jetzt aber das Besondere an der 9? Warum lasse ich mich über diese Phänomene aus? Worauf will ich hinaus?
Ich habe zu Anfang schon erwähnt, dass diese Phänomene der Zahl 9 nicht in der Alltäglichkeit zu finden sind. Das gilt nicht für die Kreiszahl pi. Auch nicht für rechtwinkelige Dreiecke (Satz des Pythagoras) und auch nicht für weitere Phänomene, wie die Fibonacci-Folgen ⧉, die überall in der Natur zu finden sind. Entweder haben wir das mathematische Prinzip in der Natur entdeckt oder wir wenden mathematische Prinzipien auf etwas natürliches an, z.B. in der Architektur, im Maschinenbau oder in der Kunst. Wo aber ist das Greifbare bei Quersummen von Spiegelzahlen?
Bestenfalls können wir so etwas vielleicht in der Kryptografie gebrauchen, aber auch das ist ein pures, gedankliches Konstrukt, ein Algorithmus um seiner selbst Willen sozusagen. Es fehlt die Greifbarkeit, der tiefere Sinn hinter dieser logischen Gesetzmässigkeit.
Wenn man nun die Mathematik als universelle Sprache, als Gerüst für jegliches grundlegendes Verständnis dieser Welt heranzieht und dann unsere Entdeckungen, unser Weltbild und unsere geisteswissenschaftlichen Beschreibungen hinzunimmt, dann kann man unsere ganze Welt als ein Kunstwerk eines Schöpfers sehen. Welchen Platz nimmt dann ein solches mathematisches Phänomen ein, von dem ich keine Kongruenz in der Natur finde, welches keinen Platz in diesem Bild hat, welches einfach da ist und als Faszination fasziniert?
Man kann vielleicht sagen, dass diese beiden Phänomene zu den Dingen gehören, die wir noch nicht verstehen und die wir deswegen noch nicht richtig einordnen können. Der dogmatische Mathematiker, der die schwätzenden Geisteswissenschaftler ablehnt, wäre sicher dieser Auffassung. Philosophie als Platzhalter für das Nichtwissen. Aber indem er genau das tut erkennt er ja auch die fehlenden roten Linien dieser Phänomene zu unserem Grundverständnis. Er muss sie zunächst Aussortieren und die Beschreibung von Nicht-Wissen kann er nicht übernehmen. Das liegt an diesen dogmatischen Scheuklappen.
Ich bleibe daher bei meinem Bild vom Bild der Welt als eine Gesamtkomposition. Dieses Phänomen, das einfach nur da ist, ist dann vielleicht nur so etwas wie die Signatur eines Schöpfers. Wer das zu abgehoben findet, den kann ich nur einladen, sich die beiden Animationen der eingefügten Bilder nochmal anzuschauen und auf sich wirken zu lassen. Ist das nicht faszinierend, wie unsere Welt aufgebaut zu sein schein?
Aber sicher doch - was sonst könnte mich angetrieben haben, darüber zu schreiben ... ?