Franz Killat
Zu meinem Großvater "Franz Killat" habe ich auf der Seite "Erinnerungen an Memel" einiges geschrieben. Dort finden Sie unter anderen den letzten handgeschrieben Brief von meinem Großvater, in dem er eindringlich die Belagerung von Memel durch die Russen beschreibt und täglich das Grauen des Krieges erfährt.
Schatten der Vergangenheit?
Im Februar 2014 bin ich auf eine interessante Entdeckung gestoßen. Der Name meines Großvaters "Franz Killert" taucht in alter Schreibweise als "Franz Killat" häufiger in diversen Publikationen auf. Kurios: einige davon lassen darauf schließen, dass Franz Killert möglicherweise den 2. Weltkrieg überlebt hat und als Franz Killat die Vergangenheit hinter sich gelassen hat.
Ich wollte heraus finden, ob dies so ist und welche Hintergründe es dabei aufzuklären gibt.
Die genauen Umstände, wie es zu dieser Entdeckung kam, finden habe ich in diesem Blogeinträgen zusammengefasst. Meine Vermutung hat sich nicht bestätigt. Es gab zwei Personen mit dem Namen "Franz Killat". Ein Nachfahre des anderen "Franz Killat" hatte mir eine ausführliche E-Mail gesendet.
Schatten der Vergangenheit - Teil 1: Ein Verdacht
Im Zuge meiner Recherchen über die Vergangenheit der Familie "Killert" habe ich vor einigen Tagen mal nach der alten Schreibweise "Killat" gegoogelt. In den 40er Jahren hatten die Nazis bestimmt, dass der Name "Killat", der angeblich slawisch klingen würde (ziemlicher Unsinn, aber soll hier jetzt nicht Thema sein) in "Killert" geändert werden müsse. Mein Großvater Franz Killat hat dies minutiös, samt Arier-Nachweis, dokumentiert.
Was also lässt sich zu Franz Killat finden? Neben den mit schon bekannten Einträgen (Adress-Register von Memel) habe ich zwei Hinweise gefunden, die unglaublich interessant sind und denen ich weiter nachgehen werde:
In diesem Leserbrief sind zwei Dinge festgehalten, die mir komplett neu waren:- Franz Killat war Träger der "Goldenen Verdienstkreuzes" für Unteroffiziere im Ersten Weltkrieg.- Franz Killat ist im April 1945 in Königsberg gefallen.
Bisher galt mein Großvater lediglich als verschollen und wurde 1956 für tot erklärt. Der Schreiber dieses Leserbriefes scheint mehr gewusst zu haben ... . Die letzte Nachricht von Franz Killat kam jedenfalls nicht aus Königsberg, sondern aus Pillau (heutiges "Baltijsk"), was aber ganz in der Nähe ist. Auch der Hinweis auf die Witwe und die drei Söhne sind korrekt - keine Verwechselung möglich. Mein bisheriger Kenntnisstand war, dass Franz Killat ein einfacher Polizei-Wachtmeister gewesen war. Das stimmt wohl gar nicht.
Jetzt ist es natürlich naheliegend anzunehmen, dass es einen zweiten Franz Killat gegeben hat, der den zweiten Weltkrieg überlebt hat. Man muss auch immer bedenken, dass es 1934 diese Namensänderung gegeben hat. Aus "Franz Killat" war "Franz Killert" geworden. Nach "Killert" wurde auch gesucht - niemals nach "Killat".
Außerdem: es mag sein, dass es noch einen zweiten Franz Killat gab - wie groß aber ist die Wahrscheinlichkeit, dass dieser mit Namen wie "Budwill" und "Bartolitius"in Zusammenhang steht, die laut diversen Archiven beinahe Nachbarn (Tilsit) meines Großvaters gewesen waren? Ich möchte an dieser Stelle erklären, dass ich kein Anhänger der ostpreussischen Landsmannschaft bin und die "alten" Ostgebiete nicht als Teil der Heimat ansehe - allerdings sind solche Publikationen interessante Quellen, die Licht in das Dunkel der eigenen Herkunft bringen. Welche Schlussfolgerungen sich aus diesen beiden Fundstellen meiner Meinung nach ergeben, schreibe ich hier in Kürze ... .
Schatten der Vergangenheit - Teil 2: Spekulationen
Ich habe mich heute den ganzen Tag mit den alten Dokumenten zu meinem Großvater beschäftigt. Es gab da einen Ordner, der einige Zeugnisse und Urkunden umfasst, den ich nur überflogen hatte. Das sind hauptsächlich Heirats- und Sterbeurkunden. Nichts Aufregendes.
Einige Dokumente waren dann aber doch interessant. Es gibt da einen "Major Fischer", dem mein Großvater im 1. Weltkrieg wohl das Leben gerettet hat. Möglicherweise steht das im Zusammenhang zu der Auszeichnung, die er im 1. Weltkrieg erhalten hat.
Franz Killat hat an der "Schlacht von Tannenberg" teilgenommen. Es ist ein Zufall, dass dieses Ereignis im Mittelpunkt meines ersten Romans "Amor Simplex" steht. Aber vielleicht gibt es wirklich keine Zufälle ...?
Ich habe daher eigens eine Seite zur Ahnenforschung eingerichtet, auf der ich auch zur Kontaktaufnahme ermuntere. Die Fragen, die mich beschäftigen, sind dort zusammengefasst.
Aber zurück zu meinem Eintrag von gestern und den beiden Hinweisen, die ich zu Franz Killat gefunden habe: Beide Einträge sind natürlich widersprüchlich. Wenn der Leserbrief korrekt ist, dann ist mein Großvater 1945 in Königsberg ums Leben gekommen. In diesem Fall interessieren mich die genauen Umstände - denn wie schon erwähnt, diese Nachricht ist neu. Zwischen "Verschollen" und "Verstorben" liegt die Gewissheit. Gewissheit sind Tatsachen, die ich gerne erfahren würde.
Der zweite Eintrag, der auf einen Franz Killat aus Reutlingen hindeutet, wirft natürlich die Frage auf, ob mein Großvater unter seinem alten Namen weitergelebt hat. Wenn ja, warum hat er das getan? Dafür könnte es zwei Gründe geben:
1.) Er wollte die Vergangenheit hinter sich lassen und ein neues Leben beginnen. Franz Killat war bereits das zweite Mal verheiratet. Vielleicht hat er die Gelegenheit genutzt und ist aus einer vielleicht gescheiterten zweiten Ehe geflohen.
2.) Franz Killat war kein Mitläufer. Von der Oma, also seiner Ehefrau, wurde mir von meinem Vater erzählt, dass sie eine sehr naive, aber glühende Nationalsozialistin war. Angeblich hat sie bis zum Schluss geglaubt, dass "der Führer" bis zum letzten Atemzug kämpfend für Deutschland gefallen war. Auch von einem ihrer Söhne aus erster Ehe existieren haarsträubende Briefe an meinen Vater, in dem dieser zu dieser "guten alten Zeit" bekehrt werden soll.Diese These - und die halte ich für plausibel - stützt sich auch auf die Funktion meines Großvaters. Er hatte einen militärischen Dienstgrad und war darüber hinaus zuletzt "Hauptwachtmeister der Landespolizei". Diese sogenannte "Schutzpolizei" war für die Organisation all der Dinge verantwortlich, die der Deutschen Geschichte zurecht wie ein Makel anhaftet. Er wäre mit Sicherheit niemals in Gefangenschaft gegangen - man hätte mit ihm kurzen Prozess gemacht. Taucht dann der Name Anfang der 60er Jahre in einer Todesanzeige auf - wem würde das schon auffallen? Heute fällt es auf, denn das Internet stellt Zusammenhänge her, die jahrzehntelang verborgen waren.
Schatten der Vergangenheit - Teil 3: Gewissheit
Es gibt eine wesentliche Neuigkeit in Sachen Ahnenforschung. Ich hatte ja vor gut einem Jahr einen Hinweis darauf gefunden, dass mein Großvater, der gegen Ende des Krieges als verschollen galt, möglicherweise unter dem Namen Franz "Killat" (die ursprüngliche Schreibweise von "Killert") in Reutlingen nach dem Krieg noch gelebt haben könnte. Ich habe da auch einige Mutmassungen angestellt, warum das so gewesen sein könnte.
Seit gestern ist klar, dass diese Vermutung falsch ist. Ein Verwandter eines Franz Killat aus Reutlingen hat mir per E-Mail einige Hintergrundinfos zukommen lassen - der Franz Killat aus Reutlingen stammte ursprünglich aus Tilsit und ist ca. 15 Jahre nach meinem Großvater geboren worden. Tilsit und Memel liegen nahe beieinander. Auch wenn der Name "Killat" in den verschiedenen Registern häufiger auftaucht - das ist dennoch ein sehr ungewöhnlicher Zufall.
Damit steht zweifelsfrei fest, dass es zwei Franz Killats gegeben haben muss und dass mein Großvater vermutlich wirklich 1945 in der Nähe von Königsberg umgekommen ist.
Zwischenzeitlich habe ich auch eine Seite gefunden, in der Personenlisten von 1945 aufgeführt sind. Zu Franz Killat gibt es in einem Archiv in Kaliningrad einen Eintrag. Möglicherweise erfahre ich so, wo Franz Killat zuletzt gesehen worden ist. Ich habe einen Auszug aus diesem Archiv angefordert - das kann aber wohl mehrere Wochen dauern, bis ich etwas erhalte. Die Arbeit wird von Ehrenamtlichen gemacht.
Die erste Ehe von Franz Killat
Franz Killat war zweimal verheiratet. Mein Vater war das dritte Kind von Franz Killat und das einzige aus der Ehe mit Annike Killert, geb. Pippirs. Diese Eheschliessung fand 1930 statt. Zuvor, im Jahr 1926, hatte Franz Killat eine gewisse Anna Margarethe Klein geb. Kmienek geheiratet. Anscheinend war es für diese Frau bereits die zweite Ehe. Aus dieser ersten Ehe sind die Kinder Günter und Werner Killert hervorgegangen. Wer weiß etwas über den Verbleib von Anna Margarethe Klein? Warum war die Ehe nach nur vier Jahren beendet?
Meine Mutter hat mir 2022 erzählt, dass einer der Söhne, Günther Killert, seine leibliche Mutter viele Jahre nach dem Ende der Ehe mal getroffen hatte. Sie wollte jetzt, wo die Söhne erwachsen waren, wieder Kontakt haben. Günther Killert hat das aber strikt abgelehnt.
Wer war John Killat?
In der Heiratsurkunde von Franz und Annike Killat wird ein gewisser "John Killat" erwähnt. Dieser Name taucht auch immer wieder in Ancestry auf. Zunächst dachte ich, dass er ein uns unbekannter Verwandter in Übersee oder aus dem angelsächsischen Raum sein könnte. Aber ich wurde darauf aufmerksam gemacht, dass der Vorname „John“ keineswegs auf eine angelsächsische Herkunft schließen lässt. Der Vorname „John“ (deutsch ausgesprochen) war besonders im letzten Jahrhundert im Norddeutschen Raum ein sehr beliebter Vorname. Ich habe mittlerweile auch erfahren, dass John Killat bis 1945 in Memel gelebt hat - was mit ihm passiert ist und in welchem Verwandtschaftsverhältnis er zu den mir bekannten Killert/Killat Familienmitliedern stand, ist nach wie vor unbekannt. Laut Ancestry liegt die Vermutung nahe, dass er ein Bruder/Halbbruder oder Cousin von Franz Killat gewesen war - aber ich habe keine weiteren Hinweise gefunden.
Auf der Suche nach Major Fischer
In den Unterlagen finden sich zwei Hinweise auf einen gewissen Major Fischer. Mein Vater hat auf einem kleinen Schreiben des Majors an Franz Killat notiert, dass Franz Killat diesem Major das Leben gerettet hat. Zum Geburtstag von Franz Killat hat dieser Major auch ein Glückwunsch-Telegramm geschickt. Wer kennt einen Major Fischer aus dem Raum Tilsit/Memel und was genau verband ihn mit meinem Großvater?
Hier die beiden Hinweise, die ich auf den Major gefunden habe. Man beachte, dass zwischen beiden Dokumenten 30 Jahre liegen.
Entzifferung dieses Briefes von Major Fischer
Straßburg, 30.11.1914
Lieber Pionier Killat !
Zum Weihnachtsfeste sende ich Ihnen ein klein ... |Unleserlich| ... der Ihnen hoffentlich bekommen ist. Ich hoffe, es ist Ihnen gut gegangen, seit Sie mich mit den anderen |Brüdern(?)| aus dem Feuer getragen haben. Ich bin leider immer noch nicht so gesund, daß ich wieder zum Bataillon zurück kann, so sehr ich es auch wünsche; vor Weihnachten wird es aber wohl nichts mehr werden.
Grüßen Sie die Kameraden … |Unleserlich| ...
und seien Sie selbst bestens gegrüßt von Ihrem Batallions Kommandeur
Major Fischer
Wer war Major Fischer?
Wichtige Anmerkung dazu: Nach meinen Recherchen kommt vermutlich nur eine Person mit diesem Rang als "Major Fischer" in Frage: Eberhard Fischer (1893-1962), Generalmajor der Luftwaffe. Es gibt zwar noch mehrere Wehrmachtsangehörige im Rang eines Majors, aber keiner von ihnen hatte im 1. und 2. Weltkrieg gedient, was bei diesem Major aber der Fall sein muss. Wenn es Angehörige von Eberhard Fischer gibt, die vielleicht mehr Informationen haben, vielleicht sogar Hinweise auf Franz Killat, dann würde ich mich über eine Kontaktaufnahme ✉ freuen.
Die Schlacht bei Tannenberg
Das ist wirklich ein unglaublicher Zufall: Ohne es zu wissen, ist die "Schlacht bei Tannenberg" das wichtigste Ereignis in meinem ersten Roman "Amor Simplex". Die Auszeichnung "Ehrenkreuz für Frontkämpfer" sowie der Dienstgrad eines "Leutnant der Landwehr" resultieren aus der Teilnahme von Franz Killat an dieser Schlacht. Wer weiß mehr über diese Auszeichnungen und stehen diese ggf. mit Major Fischer in Verbindung?
Infos zur Schlacht bei Tannenberg
Die Schlacht bei Tannenberg war eine Schlacht des Ersten Weltkrieges und fand in der Gegend südlich von Allenstein in Ostpreußen vom 26. August bis zum 30. August 1914 zwischen deutschen und russischen Armeen statt. Die deutsche Seite stellte hierbei 153.000, die russische 191.000 Soldaten ins Feld. Sie endete mit einem Sieg der deutschen Truppen und der Zerschlagung der ins südliche Ostpreußen eingedrungenen russischen Kräfte.
Anfänglich in den deutschen Medien als „Schlacht bei Allenstein“ bezeichnet, wurde sie auf Wunsch Paul von Hindenburgs kurze Zeit danach zu Propagandazwecken in Schlacht bei Tannenberg umbenannt. Tatsächlich liegt nicht die Ortschaft Tannenberg (heute Stębark) unmittelbar im Hauptkampfgebiet, sondern Hohenstein. Mit der Namensgebung sollte die in der deutschen Geschichtsschreibung als Schlacht bei Tannenberg bezeichnete Niederlage der Ritter des Deutschen Ordens gegen die Polnisch-Litauische Union im Jahre 1410 überstrahlt werden. Quelle: wikipedia.
Weitere Dokumente
Über den Verbleib von Franz Killat ist nichts bekannt. Er gilt als verschollen und es ist sehr wahrscheinlich, dass er in der Nähe von Pillau ein Opfer des Krieges wurde.
Franz Killat wird für tot erklärt.
Solche "Beschlüsse" gab es abertausende in 50er Jahren - auch Franz Killert, seit April 1945 in der Gegend um Pillau in Ostrpeussen verschollen, wird am 16.10.1956 für tot erklärt.
Auskunft der Sparkasse Memel
In den Unterlagen habe ich noch weiteres interessantes Dokument gefunden. Meine Großmutter hat anscheinend versucht ihr Auskommen zu sichern und bei der Sparkasse in Memel nachgefragt, ob Sie über das Guthaben ihres Mannes verfügen kann - hier die Antwort auf einer Postkarte, die irgendwie sehr anschaulich darstellt, wie begrenzt die Möglichkeiten in dieser schweren Zeit gewesen sein müssen. Das "t" auf der Schreibmaschine scheint defekt zu sein und man bittet um Unterstützung bei der Deckung der Auslagen:
Fotos
Von Franz Killat gibt es nur wenige Fotos. Außer dem Foto in dem Ausweisdokument und dem Hochzeitsfoto (siehe oben) kenne ich nur drei weitere Fotos, auf denen Franz Killat zu sehen ist. Bei zwei dieser Fotos auch nur relativ klein in einer Reihe mit anderen Menschen, vermutlich seinen Kameraden.
Es gibt natürlich einen Grund, warum ich diese Fotos hier reingestellt habe. Durch Fotosuche im Internet oder dem Vergleich mit Bildern anderer Nutzer könnte ja Menschen auf dieses Foto stoßen und vielleicht Auskünfte und Details preisgeben, die die Vergangenheit noch ein wenig mehr erleuchten. Vielleicht kann jemand die anderen Personen auf den Foto zuordnen und mir Infos schicken. Es ist manchmal erstaunlich, welche Kontakte mit solchen Fotos entstehen und welche Hintergründe auch nach so vielen Jahrzehnten noch beleuchtet werden können.